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Mangelde Achtsamkeit: Über das Business mit der Balance

Der moderne Mensch ist gestresst und zwar gefühlt immer und überall. Die Lösung: Wir müssen für Ausgleich sorgen, um die „Akkus wiederaufzuladen“. Praktischerweise gibt es dafür auch schön geschnürte Gesamtpakete, um dem gestressten Alltagsmenschen Linderung zu verschaffen. Das Geschäft mit unserem Drang zur Erholung ist lukrativ, bekämpft aber oft nur das Symptom statt die Ursache: Mangelnde Achtsamkeit.

Wir wollen ein Defizit ausgleichen, statt es von vornherein zu vermeiden

Unser Alltag ist schnelllebig und stressig, geprägt von tausenden Entscheidungen, die morgens beim Kaffeeholen anfangen, sich durch den Arbeitsalltag ziehen und auch in der Freizeit warten. Egal welchen Job man hat, ob man angestellt oder selbstständig, in Vollzeit oder Teilzeit oder als Hausfrau und Mutter seinen Alltag bestreitet, jeder unterliegt einer gewissen Anspannung. Das ist völlig normal und niemand erwartet, dass das Leben ein Spaziergang auf Zuckerwatte ist. Aber irgendwann kommt der Punkt, an dem die Überlastung zu groß wird und wir nach Entspannung und Ausgleich lechzen – wir sind aus der Balance gekommen und die muss wiederhergestellt werden. Am besten möglichst schnell und unkompliziert, denn nächste Woche müssen wir ja wieder funktionieren.

Das Geschäft mit der Erholung ist lukrativ

Wenn es dann also fast zu spät ist, rennen wir schnell zum „Wellness“, einen Begriff, den es bekanntermaßen im Englischen so gar nicht gibt. Aber es hört sich ja auch toll an: Wir lassen es uns gutgehen, vergessen den Alltag und belohnen uns für die Strapazen, die hinter uns liegen. Wie praktisch, dass es nicht nur unzählige Hotels und Spas gibt, sondern auch schon perfekt geschnürte Pakete in Onlineshops, in denen man sich aus Angeboten wie der wohlklingenden „Zeit zu weit“, dem „Mädelsabend“ oder einer „Ruheoase“ nur noch den passenden Balsam für die geschundene Seele aussuchen muss.

Wellness ist eine großartige Sache! Nichts ist schöner, als die Seele baumeln zu lasse und sich mit der Freundin oder dem Partner einen Wellness-Tag zu gönnen, aber das alles ist eben auch ein lukratives Business, das stetig durch den überlasteten Menschen gefüttert wird. Spätestens beim Blick auf die Spa-Preise in einigen Hotels wird klar: Entspannung kann man sich oft nur leisten, wenn man arbeitet wie ein Tier. Ein Teufelskreislauf! Und dann wären da ja noch die Yoga Retreats und die ganze Industrie um Yoga selbst, die oft sehr krass das torpediert, worum es im Yoga eigentlich geht. Statt mehrere Tausend Euro für ein Retreat auf Bali mit DEM Yoga Guru schlechthin auszugeben, täte es manchmal doch auch die Wiese zuhause oder der Kurs bei der Volkshochschule.

Der Knackpunkt ist: Leistungsgetriebene Menschen brauchen eben auch bei der Belohnung oft das Gefühl, sich etwas geleistet und sich die neue Energie quasi „erkauft“ zu haben.

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Achtsamkeit und innere Balance gibt es nicht als Paket zu kaufen

Sicherlich sind Entspannung und Ausgleich sehr persönlich und jeder zieht seine Energie aus etwas anderem. Es geht auch nicht darum, eine ganze Industrie zu „bashen“, sondern sich bewusst zu machen, dass der Schlüssel oft in uns selbst liegt. Klingt abgedroschen, aber stimmt leider. Wir wollen unsere Akkus aufladen, unser Energiedefizit wieder ausgleichen, anstatt mit etwas mehr Achtsamkeit und dem Mut öfter „Nein“ zu sagen, den Stresslevel von vornherein etwas niedriger zu halten. Betrachten wir unsere Energiekurve, sollten wir öfter dafür sorgen, dass diese relativ konstant ist, mit leichten Schwenkern nach unten und oben. Talfahrten und Abstürze mit kurzen Peaks zu kompensieren, hilft leider nur kurzfristig. Stattdessen zum Beispiel regelmäßig einen halben Tag einlegen, der nur einem selbst gehört. Sich die Zeit für ein Bad, eine Gesichtsmaske und ein gutes Buch gönnen, Spaziergänge an der frischen Luft, ein Strauß frische Blumen. Es gibt viele kleine Mittel, um im Alltag für kleine Energie- und Zufriedenheits-Boosts zu sorgen. Am wichtigsten ist sowieso Achtsamkeit und das bedeutet letztlich nichts anderes, als auf sich und seine Bedürfnisse zu hören, diese zu beachten und zu erfüllen, statt sie immer wieder aufzuschieben. Es ist schwierig, aber Achtsamkeit kann man lernen und der Lohn sind langfristige Zufriedenheit und Gesundheit.

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Titelbild: ©Unsplash